VII. Deutsch-Italienisches Gesprächsforum
Am 20. April 2009 veranstalteten das Institut für Europäische Politik (IEP) und das Istituto per gli Studi di Politica Internazionale (ISPI) im Atrium der Deutschen Bank in Berlin das siebte Deutsch-Italienische Gesprächsforum. Unter dem Titel „Designing Global Governance: German and Italian Views and Perspectives“ diskutierten die etwa 250 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Italien und Deutschland die Rolle der Europäischen Union bei der Bewältigung der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise, die Energie- und Klimapolitik sowie die Zukunft multilateraler Foren (G8, G20 and beyond).
Zum 20-jährigen Jubiläum des Deutsch-Italienischen Gesprächsforums kamen erneut hochrangige Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und den Medien sowie Nachwuchswissenschaftler und „Young Professionals“ zusammen, um europäische Lösungskonzepte für die aktuellen Herausforderungen aus deutscher und italienischer Perspektive zu erörtern. Als Kernstaaten der Europäischen Union teilen beide Länder eine besondere Verantwortung für den Zusammenhalt der Gemeinschaft in Krisenzeiten, was sich sowohl in inhaltlicher, wertebasierter wie auch in der langjährigen engen Verbundenheit zwischen den beiden Staaten manifestiere. Die Teilnahme der Außenminister Steinmeier und Frattini unterstrich zudem die große Bedeutung, die beide Regierungen dem bilateralen Dialog beimessen.
Mit der Frage nach einem gemeinsamen europäischen Lösungsansatz zur Bewältigung der Finanz- und Wirtschaftskrise widmete sich das Forum einer Aufgabe, die über den bilateralen und europäischen Rahmen hinausgeht. Dennoch wurde die Bedeutung bilateraler Problemanalysen und Initiativen, auch vor dem Hintergrund der diesjährigen italienischen G8-Präsidentschaft, hervorgehoben.
In der Beurteilung des bisherigen europäischen Handelns zeichnete sich unter den Diskutanten ein breiter Konsens ab, welcher der EU und ihren Mitgliedsstaaten ein gutes Krisenmanagement attestierte, nicht zuletzt durch staatliche Garantien, Stützaktionen und die Verabschiedung eines koordinierten Konjunkturprogramms. Zudem wurde die Bedeutung des Binnenmarktes und insbesondere der Währungsunion hervorgehoben. Die Europäische Union stehe aber weiter vor großen Herausforderungen, zumal ein Ende der Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht abzusehen sei. Als zentral anstehende Handlungsfelder konnten folglich die Wirtschaftspolitik und die Finanzmarktregulierung benannt werden. So fehle der Europäischen Union bis heute eine wirklich koordinierte Wirtschaftspolitik, die eine Balance zwischen gemeinsamem Handeln und Berücksichtigung wirtschaftlicher Heterogenität garantieren könnte. Auch sei es trotz notwendiger Stützungsaktionen im Bankensektor und konjunktureller Maßnahmen notwendig, die Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes nicht aus den Augen zu verlieren, um langfristig die Stabilität der Gemeinschaftswährung zu erhalten.
Im Rahmen einer Analyse der Entstehung der Finanzmarktkrise wurde betont, dass erste Anzeichen an den Märkten bereits im Frühjahr 2007 zu erkennen gewesen seien. Mittels der Etablierung eines europäischen Frühwarnsystem könnten also in Zukunft derartige Krisen früher erkannt werden. Darüber hinaus gelte es, die Finanzmarktregeln zu verschärfen und das Aufsichtswesen im europäischen Verbund oder sogar durch eine europäische Behörde zu stärken.
Im Anschluss befassten sich die Teilnehmer des Forums mit der Rolle Europas in der globalen Energie- und Klimapolitik. Als zentrale Probleme wurden dabei der weltweit steigende Energiebedarf, die eingeschränkte Verfügbarkeit fossiler Ressourcen, der langfristige Preisanstieg auf den Energiemärkten sowie Umwelt- und Klimabelastungen genannt. Diesen Problemen könne nur durch eine Verbesserung und Umsetzung der europäischen Regelungen und mit einer europäischen Stimme auf globaler Ebene begegnet werden. Erforderlich sei die Schaffung und Stärkung globaler Governance-Strukturen. Da sich die EU bereits auf konkrete Zielsetzungen im Bereich des Klimaschutzes geeinigt hat, falle ihr dabei in den internationalen Verhandlungen eine Vorreiterrolle zu. In Bezug auf die Weltklimakonferenz in Kopenhagen (post Kyotoprozess) müsse die EU dazu beitragen, divergierende Positionen zwischen Industrie‑, Entwicklungs‑, und Schwellenländern zu harmonisieren, um einen globalen Konsens zu erzielen.
Mit Blick auf die vorangegangene Diskussion zur globalen Wirtschaftslage wurde die Notwendigkeit betont, die Klima- und Finanzkrise nicht getrennt zu betrachten, sondern einen gemeinsamen Lösungsansatz für beide Probleme zu finden. Globales Wachstum müsse nachhaltig gestaltet werden und hierbei komme insbesondere dem Ausbau erneuerbarer Energien, der Förderung der Energieeffizienz und der technologischen Entwicklung eine bedeutende Rolle zu. Durch Investitionen in diesen Bereichen könne wirtschaftliches Wachstum mit einer nachhaltigen Energie- und Klimapolitik verbunden werden. In diesem Zusammenhang wurde zu einer verstärkten deutsch-italienischen Zusammenarbeit in der technologischen Entwicklung aufgerufen.
Zur Gestaltung von globaler Governance, insbesondere zur Bewältigung der Klimaherausforderungen wie auch der gegenwärtigen Finanz- und Wirtschaftskrise, hoben einige Redner die Vorbildfunktion, welche die Europäische Union als etabliertes System internationaler Governance-Strukturen spielen könne, hervor. Jedoch bestehe auch innerhalb der Europäischen Union weiterhin Reformbedarf. So befürchteten einige Teilnehmer, dass sich sonst in Zukunft eine Art Weltdirektorium der „G2“, bestehend aus den USA und China, gegenüber einem weitgehend marginalisierten Europa herausbilden könne.
Zwischen den beiden Außenministern, wie auch dem Gros der Referenten und Diskutanten auf deutscher und italienischer Seite des letzten Panels zu „G8, G20 and beyond“ bestand Einigkeit darüber, dass die G8-Runde erweitert werden müsse, um deren Abdriften in eine geringere Bedeutung zu verhindern. Länder wie China und Indien wären im Falle ihrer Aufnahme, so die Erwartung, sicher bereit, auf globaler Ebene mehr Verantwortung zu übernehmen. Als weitere notwendige Teilnehmer wurden Brasilien und Mexiko sowie aus italienischer Sicht Ägypten genannt. Auch eine erweiterte G8 könne jedoch nicht als Weltregierung auftreten, gleichwohl aber ein Forum für Vorverhandlungen für spätere Einigungen in multilateralen Institutionen darstellen und so als Impulsgeber für globale Lösungen agieren. Ebenso wichtig wie die Diskussion über Institutionen und Formate einer solchen ‚governance‘ sei die Diskussion um konkrete Themen und Inhalte. So müssten Fragen der makroökonomischen Koordinierung, der Gewährleistung und Regulierung des freien Welthandels sowie der Entwicklungshilfe und des Klimaschutzes verstärkt gemeinsam angegangen werden. Das Beispiel der Kooperation im Rahmen der Europäischen Union zeige, dass sich durch eine zunehmende Interaktion mit der Zeit auch gemeinsame Interessen und Initiativen herausbilden könnten.
Von: Ivo Krizic, Dominic Maugeais, Manuel Mohr, Julian Plottka, Thomas Schüler