EU-Präsidentschaftsseminar zu Sicherheitsfragen in Bosnien-Herzegovina
Gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt richtete das Institut für Europäische Politik (IEP) im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft am 6. Juni 2007 einen eintägigen Expertenworkshop zum Thema „EU Contribution to Disarmament, Demobilisation & Reintegration (DDR): A Look at Bosnia and Herzegovina” aus.
Die im Auswärtigen Amt abgehaltene Veranstaltung brachte mehr als 70 internationale Experten aus der Balkanregion, den EU-Institutionen, der NATO, den Vereinten Nationen, der OSZE sowie zahlreichen europäischen Hauptstädten zusammen, um aktuelle Sicherheitsfragen zu erörtern, Lehren aus der zurückliegenden DDR-Entwicklung zu ziehen und neue Ansatzpunkte für die EU in diesem Bereich aufzuzeigen.
Auch zwölf Jahre nach dem Friedensschluss von Dayton ist Bosnien-Herzegovina (BiH) noch immer weit von der Normalität anderer europäischer Staaten entfernt. Zwar wurden insbesondere in den letzten Jahren – etwa in Zusammenhang mit der Verteidigungsreform – wichtige Fortschritte im Sicherheitssektor erzielt, doch können diese nicht darüber hinwegtäuschen, dass BiH weiterhin ein ethnisch wie politisch tief gespaltenes Land ist, welches noch lange nicht aus dem Schatten des vergangenen Bürgerkrieges herausgetreten ist. Eine große Hypothek auf dem Weg in eine sichere und stabile Zukunft bilden insbesondere die zahlreichen ehemaligen Kombattanten, die nach den Kampfhandlungen der Jahre 1992–1995 nicht oder nur unzureichend in das zivile Leben reintegriert wurden und bis in die Gegenwart die Kernklientel radikaler und nationalistischer Kräfte in dem Balkanland bilden. Gepaart mit dem Umstand, dass in Bosnien-Herzegovina weiterhin große Mengen an (legalen wie illegalen) Kleinwaffen zirkulieren, ergeben sich hieraus drängende Sicherheitsfragen, die in zunehmendem Maße auch die EU beschäftigen. Letztere ist in Folge ihrer zahlreichen Aktivitäten (EUMM, EUSB, EUFOR, EUPM) mittlerweile zu einem Hauptverantwortungsträger der lokalen Sicherheit in dem Balkanland avanciert und somit zunehmend auch mit den Spätfolgen der unzureichenden Demobilisierung und Reintegration in BiH konfrontiert.
Parallel hierzu hat die EU spätestens mit der Verabschiedung des EU Concept, Support for Disarmament, Demobilisation and Reintegration im Dezember 2006, den DDR-Aspekt auch offiziell zu einem „key area for the European Union’s engagement in post-conflict peace building“ erklärt und strebt an, zukünftig verstärkt in diesem Bereich tätig zu werden. Da die EU (insbesondere auf europäischem Boden) bisher nur in geringem Umfang auf eigene Erfahrungen in diesem Bereich zurückreifen kann, betont das gemeinsam vom Rat der EU und der Europäischen Kommission ausgearbeitete EU-Konzept deshalb nicht nur die Notwendigkeit zur Evaluation eigener Aktivitäten, sondern ebenfalls den Erfahrungsaustausch mit anderer Organisationen, deren Lehren auszuwerten und für die eigene konzeptionelle Weiterentwicklung zu nutzen sind.
In diesem Zusammenhang repräsentiert das gemeinsam vom Auswärtigem Amt und dem IEP veranstaltete Seminar den ersten Versuch seit Verabschiedung des EU-DDR-Konzepts, diesen Erfahrungsaustausch aktiv und in breitem Rahmen zu befördern und am Beispiel von Bosnien-Herzegovina eine erste Bestandsaufnahme der bisherigen DDR-Maßnahmen zu wagen. Neben der Erörterung konzeptioneller Fragen (Session I) standen im Rahmen des Seminars dabei die kritische Aufarbeitung der zurückliegenden Demobilisierungs- und Reintegrationsbemühungen in BiH (Session II) sowie die Möglichkeiten eines zukünftigen Engagements der EU in dem Balkanland im Mittelpunkt des Expertenaustauschs.
Als maßgebliche Lehre aus den geschilderten Erfahrungen in BiH kann dabei festgehalten werden, dass DDR als Prozess wesentlich früher und weitaus intensiver einsetzen muss, wenn hierdurch tatsächlich eine sicherheits- und stabilitätsfördernde Wirkung entfaltet werden soll. Anders als in Bosnien-Herzegovina geschehen, erscheint es somit dringend geboten, bereits in den grundlegenden Friedensübereinkommen restriktive Regelungen zum weiteren Verbleib von Kleinwaffen zu treffen und ebenfalls die gesellschaftliche Wiedereingliederung von Ex-Kombattanten politisch, militärisch und rechtlich vorzuskizzieren. Um nachhaltige Stabilitätseffekte zu realisieren ist es darüber hinaus ebenfalls unabdingbar, den bisweilen zeitlich stark verengten Fokus von DDR auszuweiten und insbesondere die Bemühungen um eine Reintegration von ehemaligen Kämpfern als langfristige Aufgabe zu begreifen. Maßnahmen seitens der internationalen Gemeinschaft müssen dabei zügig in lokale Institutionen integriert werden, um das institutionelle Lernen im Bereich der Wiedereingliederung zu gewährleisten und den Kompetenzverlust nach Auslaufen der internationalen Fördermaßnahmen abzufedern.
Eine ausführliche Zusammenfassung der Tagungsergebnisse findet sich im Conference Report.
Discussion Paper (erscheint in Kürze)
Von: Sammi Sandawi