integration 4/2016

In der aktuellen Ausgabe der integration analysiert Peter-Christian Müller-Graff die unionsrechtliche Lage der Brexit-Entscheidung in dreifacher Hinsicht: vor der Mitteilung der Austrittsabsicht Großbritanniens, im Falle der Nichtumsetzung des Ausgangs des Referendums und im Falle der Mitteilung der Austrittsabsicht an den Europäischen Rat. Julia Klein setzt sich vor dem Hintergrund der europäischen Multikrisen mit dem in den letzten Jahren zunehmenden europaskeptischen und populistischen Potenzial in der Europäischen Union auseinander. Sie stellt ideologische und strategische Merkmale europapopulistischer Parteien dar und geht der Frage nach, ob und inwieweit ein genuiner „Europapopulismus“ in den europäischen Parteiensystemen zu finden ist. Mit den Gründen für das Scheitern der Europäischen Union, sich für den Mehrjährigen Finanzrahmen 2014–2020 eine klare Orientierung in Richtung einer zukunftsorientierten Wachstumspolitik zu geben, beschäftigen sich Roland Kaiser und Heiko Prange-Gstöhl. Christian Baldus analysiert die Rolle des Privatrechts in gegenwärtigen Sicherheitsdiskursen vor dem Hintergrund sich wandelnder Integrationsnarrative. In einer Sammelrezension bespricht Eckhard Jesse Werke zur gegenwärtigen Lage und zur Zukunft der europäischen Integration. Neben dem Bericht über die Jahrestagung 2016 des Instituts für Europäische Politik zu den Herausforderungen der ‚Flüchtlingskrise‘ für die Europäische Union werden für den Arbeitskreis Europäische Integration die Ergebnisse von Konferenzen zu den Themen Normative Power Europe, Migrationspolitik und Datenschutz zusammengefasst.
Brexit – die unionsrechtliche Dimension
Peter-Christian Müller-Graff
Brexit ist unionsrechtliches Neuland. Der Beitrag analysiert drei Fragengruppen. Er erörtert erstens die durch das Referendum eingetretene unionsrechtliche Lage vor der Mitteilung der Austrittsabsicht Britanniens aus seiner (bereits jetzt spezifisch eingeschränkten) Mitgliedschaft in der Union im Licht des Gebots der loyalen Zusammenarbeit. Zweitens wird den unionsrechtlichen Konsequenzen nachgegangen, falls die britische Regierung und/oder das britische Parlament den Ausgang des Referendums nicht umsetzen wollen. Schließlich werden die unionsrechtlichen Folgen der Mitteilung der Austrittsabsicht bis zur Beendigung der Anwendbarkeit von Unionsrecht in Britannien sowie der mögliche Inhalt eines Abkommens über die Einzelheiten des Austritts und eines künftigen Vertrages zwischen Britannien und der Union behandelt.
Europapopulismus – ein genuines Phänomen im europäischen Krisenkontext?
Julia Klein
Das europaskeptische und populistische Potenzial hat in den letzten Jahren europaweit stark zugenommen. Europapopulistische Parteien und Bewegungen konnten zuletzt durch das britische Votum zum Austritt aus der Europäischen Union im Juni 2016 einen präzedenzlosen Erfolg erzielen. Der vorliegende Beitrag setzt sich mit den ideologischen und strategischen Merkmalen europapopulistischer Parteien auseinander und geht der Frage nach, ob und inwieweit ein genuiner „Europapopulismus“ in den europäischen Parteiensystemen zu finden ist. Trotz kontextueller Unterschiede und Fragmentierungsphänomenen können ideologische Randlage, Anti-Establishment-Kampagnen, systemkritische Narrative, politische Emotionalisierung, inhaltliche Flexibilität und wahltaktische Ausrichtungen als Gemeinsamkeiten zwischen Europaskepsis und Populismus identifiziert werden.
In der Realität angekommen: Warum die EU mit ihrem Mehrjährigen Finanzrahmen an einer zukunftsorientierten Wachstumspolitik gescheitert ist
Robert Kaiser und Heiko Prange-Gstöhl
Der aktuelle Mehrjährige Finanzrahmen der Europäischen Union (2014–2020) ist der erste im Laufe der Integrationsgeschichte, der durch einen Rückgang der Haushaltsmittel im Vergleich zu seinem Vorgänger gekennzeichnet ist. Dabei ist es erneut nicht gelungen, der Europäischen Union mittels einer Umschichtung von finanziellen Ressourcen eine klare Orientierung in Richtung einer zukunftsorientierten Wachstumspolitik zu geben. Vor diesem Hintergrund analysiert der Beitrag, warum eine Reform des Haushalts ausgeblieben ist und welche Potenziale für Veränderungen mit der bevorstehenden Halbzeitüberprüfung des Finanzrahmens verbunden sind. Als zentrale Erklärungsfaktoren werden alte und neue institutionelle Hemmnisse identifiziert, die im Zuge eines Wandels von „normaler“ hin zur „Krisenpolitik“ den Verhandlungsprozess bestimmt haben und auch in absehbarer Zeit fortwirken dürften.
Narrative der Integration: Privatrecht in Zeiten des Sicherheitsdenkens
Christian Baldus
Anfangs waren Frieden und später Wohlstand die zentralen Narrative der europäischen Integration. Dabei wurde das Privatrecht zu einem essenziellen Instrument. Als jedoch diese gemeinsamen Grundlagen der Integrationsgeschichte in Vergessenheit gerieten, traten manche Staaten der Europäischen Union in dem Glauben bei, sie diene nur dazu, Wohlstand und Sicherheit zu fördern. Die Spannungen, die sich aus diesem Missbrauch ergeben, werden nun offensichtlich. Den privatrechtlichen Faktor neu zu denken, kann ein notwendiges Gegengewicht zu gegenwärtigen Sicherheitsdiskursen darstellen. Privatrechtliche Diskurse können dabei helfen, aufzuzeigen, welche Staaten ihren Bürgern und Unternehmen die Chancen oder auch Risiken eines nichtstaatlichen Integrationsprojekts wie der Europäischen Union bieten wollen. Die Darstellung einer „intégration à la carte“ könnte im Wesentlichen einer Karte des Privatrechts entsprechen, das heißt jenseits reduzierender Sicherheitsdiskurse.
Literatur
Eckhard Jesse
Die Europäische Union in der Krise. Diagnosen und Therapien
Tagungen
Yvonne Braun
Nach der Krise ist vor der Krise – die ‚Flüchtlingskrise‘ als Herausforderung für den Zusammenhalt in der EU
ARBEITSKREIS EUROPÄISCHE INTEGRATION
Antonia Labitzky und Weronika Priesmeyer-Tkocz
Stabilitätsexport durch gemeinsame Normen und Regeln – Wunschdenken oder Zukunftsprojekt?
Miriam Keppner
Migration in und nach Europa
Jana Hunnius, Frédéric Krumbein und Benjamin Schmidt
Die Rolle der Europäischen Union – zwischen dem Ausbau von Kontrolle und dem Schutz von Daten
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ISSN 0720–5120
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