Europapolitischer Sommerempfang anlässlich 60 Jahre IEP mit Wolfgang Schäuble: #6JahrzehnteIEP
Herzlichen Glückwunsch zum Sechzigsten, IEP! Unter diesem Motto feierten Vertreter*innen des Instituts, des Bundestags, des Europäischen Parlaments, des Auswärtigen Amtes sowie Freund*innen und Begleiter*innen des IEP gemeinsam #6JahrzehnteIEP. Um dies zu würdigen, hatte das IEP im Rahmen seines europapolitischen Sommerempfangs am 27. Juni 2019 in die Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin geladen.
Dr. Werner Hoyer, Präsident des IEP und der Europäischen Investitionsbank, eröffnete die Veranstaltung. Besonderen Dank sprach er dem Auswärtigen Amt aus, um dann mit einem Rückblick auf die prägenden Figuren des Instituts die Geschichte von Beginn an aufzurollen. Der Blick nach vorne war ihm jedoch genauso wichtig: Die Europawahlen hätten gezeigt, dass die Rolle des IEP an der Schnittstelle von Wissenschaft und Politik wichtiger sei denn je. Die Beschäftigung mit der europäischen Integration sei hochaktuell, Europas Selbstbehauptung als Führungsmacht in der globalisierten Welt nur durch die Rückbesinnung auf die gemeinsamen europäischen Werte möglich.
Bernhard Schnittger, Stellvertretender Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission, überbrachte die Grüße des Hausherrn Richard Kühnel. Er betonte die Autorität, die das IEP in seinem Bereich besitze, und die Qualität seiner Arbeit. Die Vertretung der Kommission sei für die gemeinsame Zusammenarbeit dankbar und wünsche dem IEP und dem europäischen Integrationsprozess eine blendende Zukunft.
Im Anschluss daran hieß Dr. Funda Tekin, eine der beiden Direktorinnen des IEP, die Gäste willkommen. Ganz im Sinne des Jubiläums stellte sie die Verbindung zwischen den Anfängen des IEP sowie der europäischen Integration und heute her. Dabei machte sie deutlich, dass die vergangenen sechzig Jahre kontinuierlich von Meilensteinen und Krisen geprägt waren. Der Integrationsprozess sei über die Jahrzehnte komplexer und die Akteure diverser geworden. Diese Entwicklungen habe das IEP stets begleitet, analysiert und hinterfragt. Die heutige Herausforderung liege laut Tekin besonders darin, auch die Menschen zu erreichen, die für die Politik schwer zu greifen seien.
Laudatio
Eine besondere Ehrung erhielt das IEP anschließend durch Andreas Peschke, Leiter der Europaabteilung des Auswärtigen Amtes. Das IEP sei aus Berlin nicht wegzudenken, würdigte er die Arbeit des Instituts sowie die langjährige Kooperation mit dem Auswärtigen Amt. Er selbst sei mit den IEP-Publikationen groß geworden. In seiner Arbeit als Berufseuropäer und Technokrat sei er immer wieder dankbar für die „intellektuelle Erinnerung“ durch das IEP daran, dass die Europäische Union ein historisches Projekt und „mehr als Klein-Klein“ sei. Umso wichtiger sei es, den proeuropäischen Geist heute zurück „auf die Straßen“ zu bringen, das IEP ist dabei für Peschke unverzichtbar.
Podiumsdiskussion
Die Gelegenheit, auf 60 Jahre europäische Integration und 60 Jahre IEP zurückzublicken, nutzten Gianni Bonvicini (Istituto Affari Internazionali), Katrin Böttger (Institut für Europäische Politik), Vladimir Handl (Institute of International Relations), Gunilla Herolf (Swedish Institute for International Affairs), András Inotai (Centre for Economic and Regional Studies, Hungarian Academy of Sciences) und Wolfgang Wessels (Centre for Turkey and EU Studies, Universität Köln) als langjährige Begleiter*innen und Kooperationspartner*innen des Forschungsinstituts. Moderiert wurde die Gesprächsrunde von Hartmut Marhold (Institut für Europäische Politik). Die „Freunde des IEP“ aus allen Himmelsrichtungen von Berlin spiegelten die zentrale Position des IEP in der EU wider, so der Moderator.
Dem Anlass der Veranstaltung entsprechend wollte Marhold von seinen Gesprächspartner*innen wissen, ob das IEP mit 60 Jahren alt sei. Die Antwort darauf war einhellig: Alt sei das IEP nicht, 60 Jahre aber ein Meilenstein. Die Zukunftsfähigkeit des IEP zeige sich neben den langjährigen und verlässlichen Wegbegleitern, auf denen die Arbeit des IEP fuße, in den vielfach jungen Mitarbeiter*innen, welche das IEP und seine zahlreichen Projekte essenziell mittragen.
Dass das IEP zu einem lebenslangen Begleiter werden kann, versinnbildlichte Wessels. Von 1973 bis 1993 war er Direktor des Instituts. Er betonte, wie grundlegend sich das Forschungsfeld des IEP seit seiner Anfangszeit gewandelt hat, so sind die Europastudien anders als in den 1970er Jahren heute ein etabliertes Forschungsfeld.
Anschließend wurde der Frage nachgegangen, wie das IEP – angesiedelt an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Politik, Verwaltung und politischer Bildung – gerade in der aktuellen europaskeptischen und von Falschinformationen geprägten Zeit interagieren solle. Böttger betonte, dass sich das IEP diesen Herausforderungen stellen müsse. Wissenschaftliche Expertise allein reiche nicht, genauso wichtig seien das Eintreten und eine gute Kommunikation, um Zweifel zu beseitigen. Die Gesprächspartner*innen stimmten überein, dass die Vorteile der europäischen Integration den Bürger*innen besser aufgezeigt und der Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit befördert werden müsste.
In der Abschlussrunde gaben die Panelist*innen einen Ausblick, wie sie sich die Zukunft des IEP vorstellen. Bonvicini, Herolf und Inotai betonten, wie wichtig eine noch intensivere bilaterale Zusammenarbeit mit ihren jeweiligen Ursprungsländern, aber auch länderübergreifend auf EU-Ebene sei. Zur Überwindung der wachsenden Europaskepsis wurde die Rolle des IEP außerdem darin gesehen, eine veritable, bisher fehlende Debatte über Frustrationen und Missverständnisse in der EU zu entfachen, explizit die Jugend in den Blick zu nehmen sowie die Entstehung einer europäischen Identität zu stärken. Wessels unterstrich das Prinzip der drei Säulen des IEP – Forschung, Forum, Fortbildung – und Böttger schloss damit, dass das IEP auch in Zukunft den europäischen Integrationsprozess unterstützen werde. Allerdings könne das Institut nur so viel tun, wie auch die Politik bereit sei mitzugehen.
Wolfgang Schäuble: ein überzeugter Europäer
„Einfach war Europa nie“. Diese Worte Werner Weidenfelds aus dem Jahrbuch der Europäischen Integration 2015 aufgreifend, zog der Präsident des Deutschen Bundestags Wolfgang Schäuble zu Beginn seiner Ansprache einen Bogen zwischen der aktuellen „Polykrise“ und den Anfängen der europäischen Integration. Gerade mal ein Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg sei der Beginn der europäischen Integration ein Produkt von Träumern eines föderalen und Realisten eines intergouvernementalen Europas gleichermaßen gewesen, so Schäuble. In diesem Spannungsfeld sei das IEP ein steter und guter Begleiter des Integrationsprozesses an der Schnittstelle von Wissenschaft, Politik, Verwaltung und Bildung.
Schäuble legte den Fokus seiner Betrachtungen auf die aktuellen und künftigen Herausforderungen, die sich der europäischen Einigung weiterhin stellen. Darunter fasste er: die digitale Revolution und die damit einhergehenden grundlegenden Veränderungen unter anderem in der Arbeitswelt, die neue geopolitische Gemengelage, in der das freiheitlich, demokratische Modell des Westens mit seinem Wohlstandsversprechen für alle immer stärker in Bedrängnis gerate, eine immer ältere Bevölkerung in Europa und demgegenüber eine europäische Jugend – gerade in Südeuropa –, die das Vertrauen in eben diese „Überlegenheit der freiheitlichen Grundordnung“ verloren habe. Es sei nun an der Zeit zu handeln.
Dies schließe auch die Schaffung von Perspektiven für außenpolitische Entwicklungen mit ein. Hier habe die EU den Auftrag zu Stabilität, Wohlstand und Bleibeperspektiven im Mittleren Osten und in Afrika beizutragen. Denn auf Dauer würden die massiven Flüchtlingsbewegungen die aufnahmebereiten Staaten überfordern, gleichzeitig dürfe China in Afrika nicht als Alleininvestor agieren. Die Kooperation der EU-Mitgliedstaaten in der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik und der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik sei die Basis für die EU als globaler Player zu bestehen, auch wenn innerhalb der EU unterschiedliche Haltungen zu Russland und China vorherrschten. Die Verteidigung des freien Handels als Grundlage des europäischen Wohlstandsversprechens sei unabdingbarer denn je, attestierte der Bundestagspräsident, eine autonome Sicherheitspolitik der EU eine Notwendigkeit, ebenso wie die Kooperation mit den USA. Zwar halte die USA die gemeinsamen Werte des Westens nicht immer ein, selbstkritisch reflektierte Schäuble, dass es auch innerhalb der EU teilweise an der Umsetzung hapere.
Schäuble resümierte, dass die innen- und außenpolitischen Herausforderungen der EU nicht isoliert voneinander gedacht werden könnten, „unbequeme Debatten“ seien unausweichlich, um sich den großen Aufgaben der Zeit zu stellen. Um die Handlungsfähigkeit der EU nach innen und außen zu stärken, sprach er sich für das Zusammenspiel von Nationalstaaten und EU-Ebene sowie für die Möglichkeit einer differenzierten Integration aus. Genauso wichtig sei es, die Unterschiede zwischen Ost und West zu verstehen, denn die Überwindung der Jalta-Ordnung sei die größte Errungenschaft und Europa werde „nicht mit der Brechstange geeint“. Die Substanz dafür sei vorhanden, der politische Wille sei jedoch ausschlaggebend. Damit dies gelinge, sei die Unterstützung des IEP erwünscht. Mit Glückwünschen zum sechzigjährigen Jubiläum verabschiedete sich der Bundestagspräsident.
Musikalisch begleitet wurde der Sommerempfang durch die Vokalband DeltaQ, die mit ihren Stimmen als Instrumenten eine bunte Klangvielfalt entstehen ließen und die Gäste beeindruckte. Zu Ihrem Repertoire gehörte an diesem Abend auch ihre Version der Europahymne „Ode an die Freude“, die in vielen verschiedenen musikalischen Stilrichtungen vorgetragen sinnbildlich für ein in Vielfalt geeintes Europa stand.
Wir danken dem Auswärtigen Amt und der Vertretung der Europäischen Kommission für die freundliche Unterstützung der Veranstaltung.
Unser Dank gilt außerdem allen Gästen und Gesprächspartner*innen für den spannenden Abend.
Autorin: Sabine Hoscislawski