IEP-Mittagsgespräch mit Professor Nathalie Tocci, Beraterin von Federica Mogherini: „Europe’s Global Strategy”
Das IEP-Mittagsgespräch zum Thema „Europe’s Global Strategy“ fand am 23. September 2016 in der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland statt. Patrick Lobis, Mitarbeiter der politischen Abteilung in der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, eröffnete die Veranstaltung mit einer kurzen Begrüßungsrede. Anschließend sprach Prof. Nathalie Tocci, Beraterin der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik und Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Federica Mogherini, und stellvertretende Direktorin des Istituto Affari Internazionali (IAI) in Rom über die Entstehung, die Ziele und die Umsetzung Europas neuer „Global Strategy“. Ihr Fokus lag dabei auf einem Vergleich der Strategie mit der Europäischen Sicherheitsstrategie von 2003 hinsichtlich der folgenden vier Punkte: Kontext, Prozess, Inhalt und Handlungen. Moderiert wurde die Veranstaltung von Dr. Katrin Böttger, stellvertretende Direktorin des Instituts für Europäische Politik (IEP).
Während ihres einleitenden Vortrags betonte Tocci, dass bei der Erarbeitung der neuen Strategie die veränderte Ausgangssituation im Vergleich zur Europäischen Sicherheitsstrategie von 2003 zu beachten war. Sie führte aus, dass die Welt 2003 als unipolar angesehen und das europäische Projekt, u.a. wegen der erfolgreichen Umsetzung von Projekten wie dem Euro und der Osterweiterung, mit großem Optimismus betrachtet wurde. Heute sei die Welt hingegen durch eine bestehende Multipolarität, umkämpfte Interdependenzen und eine wachsende Neigung zu Populismus und Europaskeptizismus gekennzeichnet. Dieser unterschiedliche Kontext, in dem die neue Strategie entwickelt wurde, erforderte eine Veränderung des Entstehungsprozesses, so Tocci. Eine gemeinsame Position der nunmehr 28 Mitgliedstaaten zu finden, wäre als Mittel zur Lösungsfindung für die unterschiedlichen zu adressierenden Themen und Probleme nicht länger hilfreich gewesen, argumentierte Tocci. Deshalb sei der Entstehungsprozess der „Global Strategy“ um einiges komplexer gestaltet worden und schließe nun nicht mehr nur die unterschiedlichen politischen Standpunkte der Mitgliedsstaaten, sondern auch Anregungen und Wünsche von Interessengruppen sowie der Zivilgesellschaft mit ein.
Der Inhalt der neuen Strategie weise ebenfalls Unterschiede auf, darunter einen Wechsel von einem Wandlungs- hin zu einem Handlungsprozess. Tocci erklärte, dass die neue Strategie bewusst auf die Benennung konkreter Partner verzichte und stattdessen eine „Partnering-Strategie“ verfolge, bei der die einzelnen Partner der EU in Abhängigkeit vom jeweiligen Handlungsbereich benannt werden können.
Ein weiterer Unterschied zwischen den beiden Strategien sei das konkrete Bedürfnis nach einer organisierten, gemeinsamen Umsetzung der neuen Strategie. Tocci betonte in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit, bestimmte Begriffe wie „resiliance“ gemeinsam mit allen Mitgliedstaaten zu definieren, einen gemeinsamen Krisenmanagementansatz zu erarbeiten und eine bessere Kooperation zwischen der internen und externen Dimension bestimmter Politikbereiche zu erwirken.
Während der lebhaften Diskussion mit dem Publikum wurde insbesondere die veränderte Rolle der USA thematisiert. Die USA könnten nicht länger als Garantie für die Sicherheit Europas betrachtet werden, es sei denn, das konkrete Thema wäre für die USA selbst von Interesse, so Tocci. Deshalb müsse die EU dafür Sorge tragen, selbst für ihre Sicherheit sorgen und sich, wenn nötig, verteidigen zu können. Die Debatte verdeutlichte das Argument, dass die EU multiplen, zusammenhängenden Herausforderungen gegenübersteht, denen nicht mittels einer einzigen Strategie begegnet werden kann.
Von: Friederike Bodenstein-Dresler