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IEP-Mittagsgespräch mit Steffen Kampeter am 22. Oktober 2012: „Was kostet Europa – was ist es uns wert?“

Im Rahmen des IEP-Mittags­ge­sprächs am 22. Oktober 2012 sprach Steffen Kampeter MdB, Parla­men­ta­ri­scher Staats­se­kretär beim Bundes­mi­nister der Finanzen, in der Landes­ver­tretung Hessen zum Thema: „Was kostet Europa — was ist es uns wert?“. Dabei betonte Kampeter, dass es Besorgnis erregend sei, wie sehr sich die Wahrnehmung Europas momentan auf die Kosten einer Stabi­li­sierung der Eurozone verenge und die EU als Ganzes mit ihren weiteren Mitglied­staaten aus dem Blickfeld gerate. Obwohl Europa seinen Preis habe, habe es vor allem aber auch einen Wert, der sich auf Freiheit und Frieden gründe. Kampeter formu­lierte zum Thema seines Vortrags die folgenden Thesen:

Zunächst konsta­tierte er, dass die Kosten Europas in Deutschland überbetont würden. Während bei uns die Wahrnehmung vorherrsche, dass Deutschland der größte Beitrags­zahler der EU sei, herrsche in den übrigen Mitglied­staaten die Meinung vor, dass Deutschland am stärksten von der EU profi­tiere. Es werde in Deutschland völlig übersehen, dass z.B. auch Italien große Beträge zu den EU-Töpfen leiste und Luxemburg sogar am meisten pro Kopf in die EU einzahle.

Während die Kosten Europas überschätzt würden, werde der ökono­mische Nutzen unter­schätzt, so die zweite These Kampeters. Entgegen der weit verbrei­teten Europa­skepsis profi­tierten deutsche Unter­nehmen immer noch stark von Binnen­markt und Euro, so dass Deutsch­lands export­ori­en­tierte Wirtschaft die Krise bisher gut gemeistert habe. Kampeter wies zudem auf eine jüngst veröf­fent­lichte Prognos-Studie, der zufolge bei einem Ausein­an­der­brechen der Eurozone in der Folge eines Austritts Griechen­lands (Grexits) aus der Eurozone eine starke weltweite Rezession zu befürchten sei. Es lohne sich also, Anstren­gungen zur Stabi­li­sierung der Eurozone zu unternehmen.

Nach der dritten These Kampeters geht es im Wesent­lichen um eine „Krise der inneren Struk­turen“, bzw. eine „Gover­nance-Krise“ der Wirtschafts- und Währungs­union. Das Fehlen einer koordi­nierten Finanz­po­litik für die vergan­genen zehn Jahre habe dazu geführt, dass die Eurozone in eine Schieflage geraten sei. Die nun anste­henden Gover­nance-Reformen seien als ein notwen­diges Nachholen dieser Versäum­nisse zu verstehen. Dabei gehe es vor allem darum, das Vertrauen von Bürgern und Inves­toren in die Funkti­ons­fä­higkeit Europas wieder zu gewinnen.
In seiner letzten These wies Kampeter darauf hin, dass die Maßnahmen zur Krisen­be­wäl­tigung in den Periphe­rie­ländern bereits Wirkung zeigten. Letztere hätten nicht nur ihre Wettbe­werbs­fä­higkeit wieder steigern können; auch die Defizite und die Staats­ver­schuldung würden konti­nu­ierlich sinken. Die Periphe­rie­länder steuerten also wieder auf einen besseren Primär­saldo zu, nur würde dies in der deutschen Öffent­lichkeit kaum wahrgenommen.

Abschließend betonte Kampeter, dass es nicht nur wichtig sei, in der aktuellen Krise den „Brand zu löschen“, sondern eine Vertiefung in Richtung einer Stabi­li­täts­union anzustreben. Hierbei gehe es zunächst um die Schaffung einer Banken­union, bei der nicht die möglichst rasche Rekapi­ta­li­sierung von Banken, sondern Sorgfäl­tigkeit in Konzeption und Aufbau im Vorder­grund stehen müssten. Ein zu schaf­fendes Eurozonen-Budget, wie von der Bundes­kanz­lerin vorge­schlagen, könne nur aus der Konzen­tration existie­render Mittel auf die Eurozone für begrenzte Finanz­hilfen einge­setzt werden. Länger­fristig müsse das Amt eines Haushalts­kom­missars mit Durch­griffs­rechten geschaffen werden. Hierbei gehe es nicht um den Eingriff in das Haushalts­recht der natio­nalen Parla­mente, sondern um eine Durch­setzung der verein­barten fiska­li­schen Regeln der EU. Er schlug außerdem die Direktwahl des Kommis­si­ons­prä­si­denten und den Ausbau der Kontroll­rechte des Europäi­schen Parla­ments als zweiter Kammer neben dem Rat der Mitglied­staaten zur Demokra­ti­sierung der EU vor.