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IEP-Mittagsgespräch mit Norbert Spinrath, Europapolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

Am 18. Oktober 2017 fand das IEP-Mittags­ge­spräch mit Norbert Spinrath, Europa­po­li­ti­scher Sprecher der SPD-Bundes­tags­fraktion zum Thema „Europa sozial und solida­risch weiter­ent­wi­ckeln“ in der Vertretung  der Europäi­schen Kommission in Berlin statt. Das Grußwort hielt Richard Kühnel, Vertreter der Europäi­schen Kommission in Deutschland. Moderiert wurde die Veran­staltung von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP).

Zu Beginn des Mittags­ge­spräches führte Herr Kühnel mit einlei­tenden Worten in das Mittags­ge­spräch ein. Er richtete zunächst sein Augenmerk auf den bevor­ste­henden Sozial­gipfel am 17. November im schwe­di­schen Göteborg, auf dem Grund­sätze für faire Arbeits­märkte und Wohlfahrts­systeme im Euro-Raum festgelegt werden sollen. Nach einer Danksagung an Herrn Spinrath für die jahre­lange gute Zusam­men­arbeit und seinen Einsatz für Europa, übergab er an Herrn Professor Jopp für die Moderation.

Herr Spinrath verwies eingangs auf das grund­le­gende Problem des Europa­skep­ti­zismus und die Vertrau­ens­krise der EU-Bürge­rInnen in die EU-Insti­tu­tionen. Aus diesem Grund müsse man mit den Kritikern das Gespräch suchen und die Chancen aufzeigen, die die EU den Menschen bietet. Dabei stehe der Gedanke der Nachhal­tigkeit im Blick­punkt: Es müssten langfristig tragbare Lösungen gefunden werden, die den Menschen wieder das Vertrauen in die EU zurück­geben können. Bei der Krisen­be­wäl­tigung seien in den letzten Jahren einige Fehler gemacht worden. Viel zu oft sei der Fokus auf kurzfristige Maßnahmen gelegt worden. Vielmehr müssten aber konkrete Strategien entwi­ckelt werden, um Europa voran­zu­bringen – gerade auch um einer Renatio­na­li­sierung von EU-Politikern in den Mitglied­staaten vorzu­beugen und populis­ti­schen Bestre­bungen entgegenzuwirken.

Dazu müsse der Binnen­markt gestärkt, die grenz­über­schrei­tende Zusam­men­arbeit vertieft und die Freizü­gigkeit in Europa weiter ausgebaut werden. Die Menschen müssten sehen können, dass sie von EU-Regelungen profi­tieren. Erst dann könne ein Umdenken in den Köpfen statt­finden, wonach die EU eben nicht nur auf ihre Bürokratie reduziert werden würde, sondern auch mit ihren Vorteilen in Zusam­menhang gebracht werden könne. Diese Maßnahmen seien bei Weitem aber noch nicht ausrei­chend: Nicht nur in Deutschland sei die soziale Kluft groß, sondern in vielen Ländern Europas. Es gehe deshalb um Konvergenz und Vergleich­barkeit der europäi­schen Lebens­stan­dards. In Osteuropa drängten etliche lieber in eine Frühver­rentung als unzurei­chende soziale Hilfs­leis­tungen in Anspruch zu nehmen. Das habe weitrei­chende Konse­quenzen: Wo ein ausrei­chendes soziales Siche­rungs­system fehle, führt Spinrath weiter aus, sei auch die Bereit­schaft, Flücht­linge aufzu­nehmen eher gering – eine gerechte Umver­teilung werde so erschwert und die Spaltung Europas voran­ge­trieben. Sollte es gelingen die soziale Konvergenz zu stärken, also vergleichbare Lebens­stan­dards in der EU zu schaffen, und europäische Siche­rungs­systeme wie die Einführung eines gemein­samen Mindest­lohns zu beschließen, dürften inner­eu­ro­päische Migra­ti­ons­ströme abnehmen.

Insbe­sondere Deutschland und Frank­reich sieht Herr Spinrath dabei in der Verant­wortung. Deutschland müsse mehr auf Frank­reich zugehen: Der franzö­sische Staats­prä­sident Macron schaffe derzeit eine proeu­ro­päische Aufbruchs­stimmung, die Deutschland nach der Bundes­tagswahl momentan noch fehle. Der große Einfluss der Bundes­re­publik auf Entschei­dungen der EU dürfe zudem keinen Hegemo­ni­al­ver­dacht nähren. Deutschland müsse sich als Gleicher unter Gleichen begreifen, und daher einset­zende nationale Egoismen hinten anzustellen und gemeinsame Visionen für Europa zu entwi­ckeln. In der anschlie­ßenden lebhaften Diskussion mit dem Publikum wurde gleicher­maßen über die finanz- sowie sozial­po­li­tische Entwicklung in Europa debat­tiert. Herr Spinrath merkte an,  dass für eine effizi­entere und gerechtere Sozial­po­litik mehr Kompe­tenzen für die EU geschaffen und langfristig bestehende Vertrags­werke geändert werden müssen.

Autor: Philipp Maluska


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