IEP-Mittagsgespräch mit Martin Kotthaus, Leiter der Europaabteilung des Auswärtigen Amtes: „Die Debatte zur Zukunft der EU: Wegstrecke bis zu der EP Wahl 2019“
Am 10. April 2018 fand das IEP-Mittagsgespräch mit Martin Kotthaus, Leiter der Europaabteilung des Auswärtigen Amtes, zum Thema „Die Debatte zur Zukunft der EU: Wegstrecke bis zu der EP Wahl 2019“ im Europäischen Haus in Berlin statt. Die Begrüßung übernahm der Leiter der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland, Richard Kühnel. IEP-Direktor Prof. Dr. Mathias Jopp moderierte die Veranstaltung.
„Neue Regierung, neues Glück“ auch in Bezug auf Europa, so begrüßte Richard Kühnel die rund 200 Gäste, die sich zum IEP-Mittagsgespräch in die Räumlichkeiten der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland begeben hatten. Die neue Bundesregierung gehe „mit Elan“ die zahlreichen europapolitischen Herausforderungen an, so Kühnel. Besonders hervorzuheben sei der Titel des Koalitionsvertrages „Ein neuer Aufbruch für Europa“, der die Bedeutung der europäischen Dimension in der aktuellen Legislaturperiode unterstreiche und somit optimistisch stimme.
Prof. Dr. Mathias Jopp wies in seiner Einführung auf die großen außenpolitischen Schwierigkeiten hin, der sich die Europäische Union in naher Zukunft stellen müsse. Darunter die angespannten Beziehungen zur Türkei und zu Russland, das Problem des Brexit und das Risiko von Handelskonflikten mit den USA. Angesichts dieser unbestrittenen europapolitischen Herausforderungen verwies Martin Kotthaus zunächst auf die Erfolge der EU bei der Bewältigung der Krisen der letzten Jahre. Einmal mehr sei die Frage, ob das Glas halbleer oder halbvoll sei: Es gebe überall in der EU, auch in Griechenland, wirtschaftliches Wachstum und weniger Arbeitslosigkeit. Der Migrationsdruck sei im Gegensatz zu 2015 unter Kontrolle. Bei der lange stagnierenden europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik habe man mit dem Einstieg in die strukturierte Zusammenarbeit PESCO, an der sich nahezu alle EU Mitgliedstaaten beteiligten, eine noch vor wenigen Jahren unvorstellbare, wichtige Fortentwicklung erreicht. Mit Griechenland werde dieses Jahr das letzte Land aus dem Hilfsprogramm entlassen. Und die niedrigen Zinsen im Euroraum wären zwar keine guten Nachrichten für die Sparer, aber gut für KreditnehmerInnen und InvestorInnen. Alles in allem Grund genug, nicht nur auf die anstehenden Probleme zu schauen, sondern auch zu würdigen, was Europa seit 2009 geschafft habe und, dass Europa sogar an den Krisen gewachsen sei. Entgegen der ersten Unkenrufe habe der Brexit die EU27 auch nicht destabilisiert, sondern es sei im Gegenteil in den Bevölkerungen und den EU Mitgliedstaaten ein gesteigertes Verständnis der Bedeutung der EU für jede/n Einzelne/n zu verzeichnen. Kein anderer Mitgliedstaat werde den Weg des Vereinigten Königreichs einschlagen – im Gegenteil hielten die EU27 zusammen „wie Pech und Schwefel“. Zusammenfassend könne man sagen, dass die Lage der EU deutlich positiver sei, als es die meisten Beobachter in den letzten Jahren prophezeit hatten. Aber natürlich warteten weitere Herausforderungen auf die EU, bei denen sich die Geschlossenheit der EU27 werde bewähren müssen.
Im Vorfeld der EP-Wahlen 2019 sei davon auszugehen, dass die Gesetzgebungspipeline in Brüssel bereits ab Herbst im Wesentlichen versiegen werde. Daher müssten, so Kotthaus, bereits vorher gemeinsame Antworten auf die dringendsten Fragen gefunden werden, wenn möglich zusammen mit allen EU27-Staaten. Kotthaus wies wiederholt das Vorhaben eines Europas zweier Klassen zurück: Man dürfe nicht nur im „kleinen Club“ Entscheidungen treffen. Die deutsche Perspektive sei immer eine Fortentwicklung der EU im Verbund aller 27 Mitgliedstaaten. Auch so emotional explosive Themen wie die Flüchtlingskrise müssten gemeinsam angegangen werden. Eine andere „wichtige Baustelle“ sei die Vollendung der Bankenunion, ein Schlüsselelement der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion. Wann, wenn nicht jetzt, angesichts guter Zeiten mit wirtschaftlicher Stabilität und niedrigen Zinsen könne man die Reform der WWU erfolgreich angehen? Dies erfordere aber weiter viel Überzeugungsarbeit und Engagement. Aber auch an der weiteren Stärkung der GSVP müsse gearbeitet werden – hier seien die Erwartungen der Bürger mit am höchsten. Die Bratislava- und die Rom-Agenden gäben eine gute Orientierung dafür, welche Themen die EU in den nächsten Jahren werde angehen müssen.
Aus dem Publikum auf die Schwächung des Weimarer Dreiecks in den letzten Jahren angesprochen, betonte Kotthaus die Wichtigkeit dieses Formats, das den Zusammenhalt der EU27 weiter stärken könne. Weiterhin müssten, so Kotthaus, bis zum Oktober die restlichen Fragen des Austrittsabkommens mit dem Vereinigten Königreich geklärt werden. Bereits jetzt habe man Einigung bei rund 80% der Fragen erreicht, aber die letzten Themenkomplexe seien die schwierigsten, inklusive der Fragen rund um die Grenze zwischen der Republik Irland und Nordirland, oder der Zuständigkeiten des EuGH. Die Gefahr, dass weitere „exits“ folgen könnten, bestehe nicht. Natürlich gebe es EU-Skepsis in vielen Mitgliedsstaaten, auch in Deutschland. Die beste Art und Weise, dieser Skepsis zu begegnen, sei es, die EU für die BürgerInnen noch erfolgreicher zu machen: „Der Erfolg der EU macht ihren Charme aus.“
Autorin: Janna Hartmann.