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Mittagsgespräch mit Dr. Werner Hoyer, Präsident der Europäischen Investitionsbank (EIB)

Am 19. Januar 2018 fand unser Mittags­ge­spräch mit Dr. Werner Hoyer, Präsident der Europäi­schen Inves­ti­ti­onsbank (EIB), zum Thema „Rolle und Perspek­tiven der Europäi­schen Inves­ti­ti­onsbank als Impuls­geber für die Stärkung der Europäer im globa­li­sierten Wettbewerb“, im Europäi­schen Haus in Berlin statt. Das Grußwort hielt Richard Kühnel, Leiter der Vertretung der Europäi­schen Kommission in Deutschland. Moderiert wurde die Veran­staltung von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP).

Zu Beginn erinnerte Herr Kühnel an den jüngst verstor­benen Mitbe­gründer des IEP, Arno Krause. Herr Krause war ein inspi­rie­rendes Vorbild in der Gestaltung Europas und hat mit seinem unermüd­lichen Engagement das IEP von der ersten Stunde bis zuletzt mitge­staltet, wofür ihm großer Dank gebühre. Er übergab das Wort an Herrn Jopp, der Herrn Hoyer und die anwesenden Gäste herzlich zur Veran­staltung willkommen hieß und kurz in die Thematik der Veran­staltung einführte.

Zu Beginn seines Vortrags betonte Herr Hoyer die Bedeutung der EIB als „letzter unent­deckter Schatz der Integra­ti­ons­ge­schichte“ und verwies auf den Auftrag der Bank – die gemein­schaft­liche wirtschaft­liche Entwicklung und der Ausgleich zwischen den Staaten – der auch in ihrem 60 jährigen Bestehen noch aktuell sei. Herr Hoyer führte das Publikum zunächst durch die Geschichte der EIB, von der Veran­kerung in den Römischen Verträgen, über die großen Heraus­for­de­rungen zur Zeit der europäi­schen Finanz­krise bis zur aktuellen Jahres­ab­schluss­kon­ferenz 2017 einen Tag zuvor in Luxemburg. Ein Punkt zum Selbst­ver­ständnis der Bank war Herrn Hoyer besonders wichtig zu betonen. Die EIB sei eine Förderbank für Volks­wirt­schaften, nicht für Staaten. Sie beteilige sich an der Finan­zierung von Projekten im Interesse der EU, brauche aber auch die Unter­stützung von Privat­banken, mit denen eng zusam­men­ge­ar­beitet werde, und wolle Anreize für private Inves­ti­tionen schaffen. Ihre Funktion als Crowding-In-Bank, die privates Kapital anziehe, und die enge Koope­ration mit den Staaten, den EU-Insti­tu­tionen und den natio­nalen Banken erachte er als entscheidend für den langfris­tigen Erfolg der EU-Bank.

Das Narrativ der europäi­schen Integration sei heutzutage die „Selbst­be­hauptung der Europäer in der Globa­li­sierung“. Um für die großen Heraus­for­de­rungen einer globa­li­sierten Wirtschaft gewappnet zu sein, sei die Ausrichtung auf drei Ziele wichtig:

1) Engere Koope­ration mit den Mitglied­staaten, den Insti­tu­tionen und Privat­banken, die auch in Zukunft die Kohäsion innerhalb der Union stärken und Struk­tur­schwächen angehen sollen. Nationale Allein­gänge seien eine „Illusion“ und der Wunsch danach nicht zukunfts­fähig, so Hoyer. Im Hinblick hierauf sei vor allem der Brexit als „großer Verlust“ zu nennen. Großbri­tan­niens Anteil am Kapital der EIB belaufe sich auf 16 Prozent und die Briten seien immer verläss­liche Partner gewesen. Langfristig seien nun viele Projekte wegen des Ausscheidens der Briten gefährdet, ca. 100 Milli­arden Euro Ausleih­vo­lumen müssten über die nächsten Jahre gekürzt werden. Dies seien Folgen, welche die EIB konkret spüre und die sehr bedau­erlich sein.

2) Die Entwick­lungs­zu­sam­men­arbeit. Die EIB sei auch außerhalb der EU tätig und verstärke ihre Anstren­gungen auf anderen Konti­nenten. Auch hier sei die Koope­ration mit Partnern vor Ort ein entschei­dender Faktor. Bereits mit kleinen Inves­ti­tionen könne unter Einsatz von Technik und Digita­li­sierung viel erreicht werden. Vor allem in Bezug auf die von der UN ausge­ru­fenen sustainable develo­pment goals sei in nächster Zeit „ein Quanten­sprung“ möglich, wenn man die Chancen nutze und auf Crowding-In und Zusam­men­arbeit setze.

3) Als letzter Punkt sei noch die Klima­fi­nan­zierung zu nennen. Die EIB habe sich den im Vertrag von Paris formu­lierten Zielen verschrieben und sei die Avant­garde hinter den MDBs. Die Bank sei zudem der weltgrößte Emittent von Umwelt­an­leihen, den sogenannten climate awareness bonds, der Markt hierfür explo­diere zurzeit. In den genannten Bereichen lägen große Chancen für die Europäer, zumal die ökono­mische Entwicklung in Europa gegen­wärtig sehr gut sei. Sein Appell für die Stärkung der Europäer im globa­li­sierten Wettbewerb sei: „Mutig sein, neue Instru­mente schaffen und die Ziele im Auge behalten!“.

In der anschlie­ßenden angeregten Diskussion mit dem Publikum wurden vor allem die Rolle der EIB als Förderbank aufgrund von Fragen aus der Wirtschaft und von Vertretern der Verbände sowie die generellen Auswir­kungen des Brexit auf die EIB und ihr ausleih­fä­higes Darle­hens­vo­lumen debat­tiert. Hier gäbe es natürlich noch viele Unsicher­heiten und Klärungs­bedarf. Klar sei aber, dass es neue Verträge mit Großbri­tannien brauche, um Rechts­si­cherheit herzu­stellen und die Finan­zie­rungs­fragen zu besiegeln. Die EIB sei aber gut aufge­stellt und werde ihr AAA-Rating nicht verlieren, versi­cherte Herr Hoyer. Und eine gute Sache habe der Brexit für ihn als überzeugten Europäer letzt­endlich doch: noch nie habe er „die Europäer so einig und klar“ erlebt.


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