IEP-Mittagsgespräch mit Ministerialdirektor Martin Kotthaus, Auswärtiges Amt: „Aktuelle Herausforderungen deutscher Europapolitik“
Das IEP-Mittagsgespräch zum Thema „Aktuelle Herausforderungen deutscher Europapolitik – Vom britischen Referendum bis zur Migration“ mit Martin Kotthaus, Ministerialdirektor und Leiter der Europaabteilung des Auswärtigen Amtes, fand am 6. Juli 2016 in der Vertretung der Europäischen Kommission in Berlin statt. Das Grußwort hielt Richard Kühnel, Vertreter der Europäischen Kommission in Deutschland. Moderiert wurde die Veranstaltung von Prof. Dr. Mathias Jopp, Direktor des Instituts für Europäische Politik (IEP).
Richard Kühnel eröffnete die Veranstaltung mit der Frage, welche Richtung Europa zukünftig einschlagen solle. Dabei sprach er das noch zu definierende künftige Verhältnis zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich sowie wachsende EU-kritische und populistische Stimmungen in ganz Europa an. Martin Kotthaus betonte, dass das Ergebnis des Referendums sehr viel mehr als 28 minus 1 bedeute, Europa sich aber nicht von der Diskussion um einen möglichen Austritt des Vereinigten Königreichs lähmen lassen dürfe. Andere Themen, etwa die EU-Außen- und Sicherheitspolitik, die Migration, der europäische Binnenmarkt, Wachstum und Jobs sowie die Stabilität der Wirtschafts- und Währungsunion, stünden weiterhin auf der Agenda. Kotthaus hob die Bedeutung eines zügigen Handelns des Vereinigten Königreichs hervor, um sowohl dem eigenen Land und seiner Bevölkerung und Wirtschaft wie auch den weiteren 27 Mitgliedstaaten möglichst schnell Klarheit zu verschaffen, um die sich aus dem Referendum ergebende Verunsicherung möglichst klein zu halten.
Kotthaus begrüßte die Diskussion zur Zukunft Europas. Der inoffizielle EU-Gipfel zu 27 in Bratislava sei ein wichtiges Signal. Es sei davon auszugehen, dass dieser informelle Gipfel Mitte September der Beginn eines politischen Prozesses hin zur Weiterentwicklung der EU-27 sei. Was Fragen rund um die Zukunft von Schottland und Nordirland im Vereinigten Königreich betrifft, erklärte er, dass diese „UK-intern“ geklärt werden müssten. Entscheidend sei jetzt, dass die EU – unabhängig von den sich aus dem britischen Referendum ergebenden Konsequenzen – die Arbeit an der europäischen Agenda in den wichtigen Bereichen Binnenmarkt, Wachstum, Beschäftigung, Integration sowie Außen- und Sicherheitspolitik fortsetze. Hierfür gebe es eine Reihe von Vorschlägen, wie z.B. im Papier des deutschen und des französischen Außenministers. Dieses weise in drei konkreten Themenfeldern sehr konkrete Vorschläge für eine Weiterentwicklung der EU auf – im Rahmen der bestehenden Verträge. Dabei nehme das Papier Rücksicht auf die unterschiedlichen Ambitionsniveaus der Mitgliedstaaten, was die Zukunft der EU betrifft. Hier könnte ein differenzierter Ansatz eine Brücke bieten. Europa habe seit 2009 zwei schwierige Krisen erfolgreich gemeistert: Das zeige sich in der Stabilisierung der Eurozone und am deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen, wobei die Themen Unterstützung der Herkunfts- und Transitstaaten, EU-Außengrenzschutz, Bekämpfung der Menschenschmuggler, Relocation, Resettlement und Rückführung weiter aktiv voran getrieben werden müssen, wie auch die Reform des europäischen gemeinsamen Asylsystems.
In der anschließenden Diskussion wurden die Themen europäischer Mindestlohn, Naturschutz und Aussichten für eine engere europäische Zusammenarbeit vom Publikum aufgeworfen. Hinsichtlich eines europaweiten Mindestlohns wies Kotthaus auf die Rechtslage und die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten hin. Auf die Frage, was „europäische Lösung“ in Bezug auf Migration bedeuten würde, nannte Kotthaus die gemeinsamen Bemühungen der EU und der internationalen Gemeinschaft in den Herkunfts- und Transitländern, das EU-Türkei-Abkommen, den Aufbau eines europäischen Küsten- und Grenzschutzes, der gerade in den europäischen Gremien verabschiedet werde und die Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems, für das die EU-Kommission gerade Vorschläge vorgelegt habe. Bei dem globalen Phänomen „Migration“ könnten nur europäische Ansätze nachhaltig wirken und stabile Lösungen herbeiführen. Auch für das Thema Klima käme angesichts der Größe der Herausforderungen nur eine europäische Lösung in Frage, wobei seitens des Publikums vor allem in Naturschutzfragen „mehr Europa“ verlangt wurde. Hinsichtlich außenpolitischer Fragen verwies Kotthaus auf die gerade vorgestellte “Global Strategy“ der EU und auf die absehbar bessere Zusammenarbeit zwischen der EU und der NATO.
Von: Janny Schulz