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Frühstücksgespräch „Soziales Europäisches Semester?“

Der öster­rei­chische Ratsvorsitz hat die für September 2018 geplante Tagung der Arbeits- und Sozial­mi­nister aufgrund fehlender Fortschritte in der europäi­schen Sozial­po­litik abgesagt. Dass die im November 2017 prokla­mierte Europäische Säule sozialer Rechte (ESSR) bisher nur wenig zur Stärkung der sozialen Dimension der europäi­schen Integration beigetragen hat, legte Prof. Dr. Björn Hacker von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) beim Frühstücks­ge­spräch am 9. Oktober 2018 im Institut für Europäische Politik dar und gab Empfeh­lungen, wie dies geändert werden könnte.

In Europa bestehe noch immer eine starke soziale Spaltung. Dies zeigte Hacker mithilfe der 14 Indika­toren des die ESSR beglei­tenden „Social Score­boards“, mit denen die Abwei­chung der Mitglied­staaten vom europäi­schen Durch­schnitt gemessen wird. Besondere Probleme bestehen bei den Sozial­sys­temen der Staaten Ost- und Südeu­ropas. Aufgrund ihres unver­bind­lichen Charakters sei die ESSR nicht geeignet, die Dominanz budge­tärer und wettbe­werbs­be­zo­gener gegenüber sozialen Zielen zu überwinden. So könne sie derzeit nur als Instrument der weichen Steuerung im Rahmen des Europäi­schen Semesters einge­setzt werden, in dem der ECOFIN und die DG ECFIN deutlich präsenter seien als EPSCO und DG EMPL. Weiter kriti­sierte Hacker, dass das „Social Score­board“ lediglich Abwei­chungen vom europäi­schen Durch­schnitt messe und keine Zielwerte bzw. Mindest­stan­dards vereinbart wurden.

Junckers Ziel eines sozialen „Triple‑A“ für Europa sei unmöglich zu erreichen, wenn jetzt keine konkreten Reformen umgesetzt werden. Dazu stellte Hacker Politik­emp­feh­lungen aus seinem Policy Paper vor. Die effek­tivste Reform wäre eine primär­recht­liche Veran­kerung der ESSR, um ihr Rechts­ver­bind­lichkeit zu verleihen. Eine inten­sivere Begleitung des Europäi­schen Semesters durch Arbeits- und Sozial­mi­nis­terien sowie die Aufwertung des EPSCO-Rates könnten ohne Änderung des Primär­rechts die soziale Dimension der europäi­schen Integration stärken. Außerdem sollten soziale Mindest­stan­dards unter Berück­sich­tigung der sozio­öko­no­mi­schen Entwick­lungs­un­ter­schiede zwischen den Mitglied­staaten festgelegt und in die ESSR integrieren werden. Um die Unter­ordnung der sozialen unter die ökono­mi­schen Ziele zu beheben, sollten die Ziele der ESSR schritt­weise in die Reform­in­stru­mente der Wirtschafts- und Währungs­union (WWU) aufge­nommen werden.

Für den spannenden Austausch bedanken wir uns herzlich bei Prof. Dr. Björn Hacker und allen TeilnehmerInnen.

Das IEP Policy Paper 2/2018 und die ausführ­liche Studie von Björn Hacker, die als IEP Research Paper 2/2018 erschienen ist, sind auf der Mikropage des Projekts abrufbar.