Auf ein Gespräch mit Prof. Heinrich Schneider
Am Montag, den 20. Juni 2011, fand am Institut für Europäische Politik (IEP) ein Gespräch mit Prof. Heinrich Schneider, Mitbegründer des IEP und Vordenker der europäischen Integration, über die Quellen seines europäischen Engagements statt. Gemeinsam mit unseren KollegInnen des Centre international de formation européenne (CIFE) diente dieser Vormittag der Begegnung, dem intellektuellen Austausch und der Diskussion über die aktuelle Lage der Europäischen Union im Angesicht der gegenwärtigen Eurokrise.
Prof. Dr. Hartmut Marhold, Generaldirektor des CIFE, begrüßte die Teilnehmer und merkte in seiner Einführung an, dass Herr Prof. Schneiders Publikation „Leitbilder der Europapolitik I“ ein Schlüsselerlebnis in seiner akademischen Karriere war. Im Augenblick der Krise gelte es sich auf diese Leitbilder der europäischen Integration zurückzubesinnen.
In seinem Vortrag berichtete Prof. Schneider von seinen ersten Kontakten mit der paneuropäischen Idee in den frühen vierziger Jahren, welche damals noch im Gegensatz zur allgemeinen Lehre in Schulen und Universitäten stand. Doch die neuen Gedanken die mit dieser Idee einhergingen, faszinierten Ihn von Beginn an. Nach den erlittenen Katastrophen und Kriegen in Europa war die Zeit für eine Neubesinnung gekommen und ein starkes Argument für eine supranationale Organisationsstruktur Europas. Die neue europapolitische Strömung war Anstoß und Antrieb für Heinrich Schneider, sich in der Europa-Union zu engagieren. Die Jugendorganisation der Europa-Union, die Jungen Europäischen Föderalisten (damals noch Bund Europäischer Jugend, BEJ), machte 1950 vor allem durch Grenzpfahl-Aktionen auf sich aufmerksam. Diese Zeit, so Heinrich Schneider, war der Beginn der europäischen Integration, mit Aktionen dieser Art erfuhr die Organisation auch moralischen Aufwind. Im Laufe dieser wegweisenden europapolitischen Jahre wurde das ehrenamtliche Engagement für Heinrich Schneider zum Beruf. Lebensplanändernd war vor allem die Tatsache, dass er die Möglichkeit bekam die Aufzeichnungen über den Prozess der gescheiterten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zu studieren. Kurze Zeit später war er bereits im Präsidium der Europa-Union.
Nach der historischen Einführung und der Schilderung seiner persönlichen Eindrücke thematisierte Heinrich Schneider die aktuelle Lage der Europäischen Union. Im Angesicht der aktuellen Eurokrise merkte Heinrich Schneider an, dass die EU sich womöglich zu sehr durch die Pfadabhängigkeit habe leiten lassen und seine Denkmöglichkeiten besser ausweiten solle – die Krise dürfe nicht nur weiterverwaltet werden sondern es müssten auch Neuansätze erarbeitet werden. Als Lehre aus der Krise müsse eine Wirtschaftsregierung gebildet werden, dies sei unausweichlich um auch zukünftige Krisen zu verhindern. Heinrich Schneider wies darauf hin, dass schon Walter Hallstein die Meinung vertrat, dass ein gemeinsamer Markt ohne gemeinsame Wirtschaftspolitik nicht funktionieren könne.
Heinrich Schneider betonte, dass Jean Monnet und Robert Schuman mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS) ein Geniestreich für die europäische Integration gelungen sei. Die Prämisse der Wirtschaftsintegration sei heute jedoch negativ besetzt, denn wirtschaftliche Deregulierung gehe in einer globalisierten Welt oft mit Angst um den Arbeitsplatz einher. Und mit der Gründung der V. Republik in Frankreich war auch eine weitere politische Integration nicht mehr leicht umzusetzen.
Von: Christoph Kornes